Ein Manuskript überarbeiten – die beste Methode

Wir alle kennen es – die Überarbeitung naht. Der ein oder andere von uns wird sich nun hinter einer Tasse Tee und tausenden Ausreden verstecken (ich fühle mich schuldig), während es einigen vielleicht auch Spaß macht. Bei der Überarbeitung gehen die Meinungen wohl auseinander und noch dazu sieht sie bei jedem auch ganz anders aus – manch einer muss mehr machen, manch einer weniger. Plant man zuvor den ganzen Entwurf bis ins kleinste Detail erspart man sich immerhin einiges an Arbeit. Aber so oder so muss man sein Manuskript noch einmal – mindestes – ganz genau ansehen und daran feilen. Deshalb stelle ich euch heute eine Methode zur Überarbeitung eurer Manuskripte vor, die ihr so bestimmt noch nicht kennt.

Mögt ihr Konventionen oder eher nicht? Denn diese Methode erscheint auf den ersten Blick wohl wirklich etwas unkonventionell zu sein – aber das stört nicht. Sie ist einfach nur genial.

Von Hinten nach Vorne!

Ja, ihr habt richtig gelesen. Wir überarbeiten unser Manuskript nach dieser Methode quasi rückwärts. Das heißt? Wir fangen nicht mit der letzten Seite an, nein, aber mit dem letzten Kapitel (oder Epilog?). Vom letzten Kapitel arbeiten wir uns dann langsam aber sicher nach vorne zum allerersten. Dabei kann man auch nochmal zwischen Handlungssträngen unterscheiden und jeden einzelnen von Hinten nach Vorne aufarbeiten – das Prinzip bleibt gleich.

Aber jetzt nochmal langsam… Ein Manuskript von Hinten nach Vorne überarbeiten? Zugegeben klingt das wirklich etwas seltsam – zumindest, falls man es noch nie ausprobiert hat und nicht weiß, was diese Methode für grandiose Vorteile und Möglichkeiten birgt!

  • Das Gesamtbild ist schön, aber manchmal übersehen wir wichtige Details, wenn wir nur das große Ganze betrachten und nicht etwas genauer hinsehen. Wenn wir von Vorne nach Hinten arbeiten passiert das ganz leicht – wir sehen, auf welches Ziel wir zusteuern und übersehen Logikfehler innerhalb einzelner Kapitel. Außerdem können wir uns gleich Fragen notieren, die ein bestimmtes Kapitel bei uns aufgeworfen hat. Wir wissen dann auch gleich, ob die Fragen im Nachhinein geklärt wurden oder nicht – die folgenden Kapitel haben wir immerhin schon vorher gelesen. Fakt: Wir sind gezwungen, das Kapitel im Einzelnen zu betrachten, ganz ohne Zusammenhänge. Eine Geschichte muss nicht nur im Ganzen schlüssig sein, nein, auch die einzelnen Teile müssen Stimmen.
  • Wir wissen mehr als unsere Leser, was definitiv ein großes Problem darstellt. Wenn wir am Anfang anfangen wissen wir, ganz anders als unsere Leser, was als nächstes passiert. Wir merken also selten, wenn etwas sprunghaft verläuft und wenig Sinn macht. In unserem Kopf macht es nämlich Sinn, wir haben es uns ja auch ausgedacht. Wir wissen eben mehr. Hinten anzufangen bietet hier einen gigantischen Vorteil: wir werden quasi in unseren Text reingeworfen und erkunden ihn selbst neu (da die meisten von uns ja nicht von hinten aus schreiben, ist es für uns “neu”). Daher müssen wir umdenken und das führt nunmal dazu, dass wir ganz neue Fehler finden, die wir sonst ganz leicht übersehen hätten.
  • Ein guter Charakter ist wichtig, aber sind unsere Charaktere auch wirklich gut? Sind sie sich selbst treu, oder leiden sie vielleicht unter starken Persönlichkeitsschwankungen? Beim Schreiben passiert es oft, dass unsere Charaktere nicht mehr so handeln, wie sie es nunmal tun würden, sondern so wie wir es wollen, damit unser fabelhafter Plot aufgeht. Doch wie gesagt, konsistente Charaktere sind wichtig und dies ist ein großer Fehler. Von Hinten anzufangen kann uns bei diesem Problem ganz leicht helfen. Wir sehen die Charaktere weniger als Mittel zum Zweck; wir können uns ganz auf sie und ihr Verhalten konzentrieren, ob es in der aktuellen Situation angemessen ist und nicht, ob es zum Plot passt.

 

Bevor ihr gleich an eure Manuskripte springt und diese Methode einmal ausprobiert, möchte ich euch noch sagen, wie ich diese Methode in meine Überarbeitung einbaue.

Es ist bei mir grundsätzlich so, dass ich mit “leichten” Charakteren starte. Ich habe ein grobes Bild vor Augen, ja. Ich weiß, wie sie aussehen, welche wichtigen Werte sie vertreten. Ich kenne ihre Ziele, ihre Grenzen, ihren Antrieb. Die Grundzüge des Charakters. Mehr nicht.

Mein Plot ist immer sehr detailliert – ich plane fast alles vor, manchmal sogar schon einzelne Fetzen aus Dialogen (ich liebe Dialoge).

Beim Schreiben an sich forme ich meine Charaktere bereits und mache mir immer mehr Notizen, aber nach dem ersten Entwurf geht es erst richtig los. Hier fülle ich also zuerst sehr, sehr lange Charaktersteckbriefe aus – jetzt “kenne” ich die Charaktere schon und kann sie genauer definieren. Danach arbeite ich mein Manuskript von vorne nach hinten durch, denn jetzt kann mit den Charakteren auch nichts mehr schiefgehen. Ist das erledigt wird es nochmal von Vorne nach Hinten überarbeitet – für mehr Fluss. Das große Ganze muss ja auch passen. Dann geht’s ab zu den Probelesern 😀

 

Ich hoffe sehr, dass euch dieser Beitrag gefallen hat. Vielleicht hat er euch ja sogar inspiriert. Kanntet ihr diese Methode schon, oder wollt ihr sie unbedingt mal ausprobieren? Schreibt’s in die Kommentare! 😀

– Mia (Halo Fulbright)

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